Entwicklungshilfe
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In allen Ländern Afrikas ist es einfach, international finanzierte Hilfsprojekte zu finden oder als solche zu erkennen. An all diesen Projekten findet man große Hinweisschilder, wer hier gebaut, geplant, projektiert und finanziert hat. Doch auch ohne diese Hinweisschilder lernt man recht schnell, Hilfsprojekte zu erkennen:
- Lokal abgegrenzte Infrastruktur, die so gar nicht zum übrigen Niveau der Infrastruktur des Umfelds passt.
- Infrastruktur die um ein bis zwei Klassen überdimensioniert erscheint.
- Die Projekte folgen baulichen Standards und Bedürfnissen der EU oder der von anderen Industrienationen die nicht so recht in die Länder Afrika passen mögen.
- Bei genauerer Betrachtung der Projekte entsteht oft das Gefühl: “Wer hat sich denn diesen Quatsch ausgedacht?”
Unsere Eindrücke, was diese Projekte anbelangt sind umfassend, doch wir versuchen mal aus jeder Kategorie ein Projekt auszuwählen und vorzustellen:
Straßenbau in Sierra Leone
Sierra Leone gehört laut Wikipedia zu den ärmsten Ländern in Afrika. Doch dieses Attribut findet man seltsamerweise fast bei jedem Artikel auf Wikipedia zu einem afrikanischen Land. Das Klima ist tropisch und das Landesinnere wird von einem dichten Dschungel beherrscht. Entlang der wenigen Straßen des Landes befinden sich links und rechts viele Siedlungen. Doch wir haben den Eindruck, dass wenn man sich etwas weiter von den Straßen entfernt undurchdringlicher Dschungel steht. Für die Menschen, die hier leben, sind die Straßen echte Lebensadern. Die Qualität der Straßen ist typisch für Westafrika. Viele Straßen sind unbefestigt doch die Hauptverkehrswege sind zumeist asphaltiert. Jedoch ist der Zustand der Straßen oft schlecht und manche Straßen bestehen mehr aus Schlaglöchern als aus Asphalt.

Darum haben wir uns verdutzt die Augen gerieben, als wir auf dem Weg nach Liberia auf den letzten 30km bis zur Grenze plötzlich auf eine Straße kommen, die aussieht wie aus einer anderen Welt. Nach ein paar hundert Metern des staunens kommt dann auch ein großes Projekt-Schild neben der Straße:
Diese Straße wurde gebaut und finanziert von der europäischen Union. Um diese grenznahe und strukturschwache Region zu unterstützen und zu fördern.


Für diese Straße wurde eine breite Schneise in den Urwald geschlagen. Für einen ebenen und geradelinigen Straßenverlauf wurden auch viele Erdarbeiten durchgeführt. Die Straße ist deutlich breiter als es in Sierra Leone sonst üblich ist. Es gibt sogar einen Seitenstreifen. Der Asphalt ist neu und so glatt wie auf Hochgeschwindigkeitsstraßen in Europa. Die Fahrbahnmarkierungen sind so deutlich wie in Europa. Leider interessiert sich im Straßenverkehr von Westafrika niemand dafür was eine durchgezogene Mittellinie bedeutet. Das macht auch nichts, denn es fährt hier auch niemand, den man überholen müsste. Auf den ganzen 30km dieser Straße begegnet uns kein anderes Auto. Es ist ja auch eine strukturschwache Gegend. Dafür befinden sich entlang der Straße in Kurven und an Brücken ordentliche und stabile Leitplanken. In regelmäßigen Abständen gibt es Verkehrsschilder. Vor und nach Ortschaften gibt es Haltebuchten mit eingezeichneten Parkplätzen. Streckenweise verfügt die Straße sogar über Solar betriebene Straßenlaternen. Über die Flüsse führen erstklassige Brücken und in der Nähe von Siedlungen gibt es links und rechts der Straße für Afrika etwas sehr seltenes: Fußgängerwege.
Leider wissen wir nicht, wie die Straße vor diesem EU Projekt einmal ausgesehen hat. Doch diese neue Straße passt so gar nicht nach Sierra Leone und diese abgelegene Grenzregion hat jetzt vermutlich die beste Straße in ganz Sierra Leone. Wir würden sogar soweit gehen und sagen, dass viele Gemeinden und Regionen in Deutschland, strukturschwach oder nicht, froh wären, wenn sie eine solche Straße bekommen könnten.
Leider wissen wir nicht, warum die EU in Sierra Leone eine Straße gebaut hat. Doch für die Menschen die hier leben ist diese Straße bestimmt enorm wertvoll. Wie schon geschrieben sind die Straßen hier Lebensadern.
Wir fragen uns allerdings schon, wehalb diese Straße so luxeriös gebaut wurde und offensichtlich viele europäische Standards erfüllt und wahrscheinlich auch übererfüllt. Diese Standards gehören in eine komplett andere Welt und wir sind uns sicher, dass sich jeder aus dieser Region auch unbändig über eine asphaltierte Straße gefreut hätte auch wenn diese keine Parkplätze und keine Verkehrsschilder hätte. Wenn die Straße keine Leitplanken hätte, die auch sonst in Sierra Leone nirgends vorkommen und nur den Wildwechsel behindern. Ohne eine Straßenbeleuchtung, wo doch die meisten Häuser hier keine eigene elektrische Beleuchtung haben. Ohne den ganzen Schnick-Schnack eben.
Wenn die EU schon Straßen in Sierra Leone baut, dann fragen wir uns schon, wie viele weitere Straßen man für das hier eingesetzte Geld in Sierra Leone hätte bauen können, wenn man sich an den Standards der hiesigen Straßen orientiert hätte.
Die EEAS (European External Action Service) berichtet voller Stolz über dieses Projekt: EU roads and bridges programme in Sierra Leone
Straßenbau in Liberia
Die EU finanziert auch in Liberia Straßenbauprojekte. Doch in Liberia, wie auch in sehr vielen anderen Ländern in Afrika, sind chinesische Firmen sehr umfangreich und erfolgreich tätig. China in Afrika

In Liberia sind wir das erste mal auf den Umstand gestoßen, dass Fördergelder der EU in Afrika für Projekte ausgegeben werden, die dann von chinesichen Firmen ausgeführt werden. Leider haben wir keine Kenntniss darüber, weshalb die EU dies zulässt oder unterstützt. Unser eigenes, begrenztes Verständnis über internationale Wirtschaft und Geopolitik lässt uns jedoch fragen, ob es für europäische Interessen nicht sinnvoller gewesen wäre, wenn solche Bauprojekte von innländischen oder europäischen Firmen ausgeführt werden. Möglicherweise liegen dann die Kosten höher, aber wenn die Gelder ohnehin aus der EU stammen, dann sollte es nach unserem Verständnis auch möglich sein, die Zahlung der Fördergelder an die Beauftragung von Unternehmen aus dem Inland oder dem EU Raum zu knüpfen. Übernehmen lokale Unternehmen den Bau, bleibt das Geld im Land und Arbeiter sowie Unternehmer profitieren. Würde ein EU Unternehemen beauftragt, würde ein Teil der Mittel zurück in die EU fließen und die Präsenz europäischer Unternehmen würde gestärkt werden. So fließt das Geld nach China und der ohnehin schon sehr dominante Einfluss von China in Afrika wird weiter gestärkt.
Die neuen Straßen in Guinea-Conakry
In Guinea-Conakry ist die Präsenz von chinesischen Firmen sehr deutlich zu sehen. Überall finden sich Bergabau- und Straßenbaufirmen mit großen, einladenenden Toren mit chinesischen Schriftzeichen und die Straßen werden von Lastwagen chinesischer Marken dominiert.
Wir sind von Labé auf dem Weg nach Conakry. Die Fahrt ist mühsam. Aufgrund der schlechten Straße kommen wir nur langsam voran. Doch dann, etwa 200km vor Conakry stoßen wir auf eine neu gebaute Straße. Gebaut von einer der chinesischen Firmen. Breit und eben. Man könnte meinen, man ist auf einer Hauptverkehrsstraße in Europa unterwegs. Doch nicht nur wir freuen uns über die neue Straße. Viele PKWs, Motorräder und LKW überholen uns hier mit hoher Geschwindigkeit. Teilweise haben wir das Gefühl auf einer Rennstrecke unterwegs zu sein. Das hat dann auch seinen Preis. In regelmäßigen Abständen sehen wir links und rechts der Straße Autowracks. Umgekippte LKWs ud PKWs die mit hoher Geschwindigkeit regelrecht von der Straße geschantzt sein müssen. Viele Wracks, die schon einige Zeit dort zu liegen scheinen aber auch LKWs neben denen noch verstreute Teile der Ladung zu sehen sind. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass etwa alle 2km ein Autowrack zu finden ist.





Wir fahren diese Straße mit unseren gewohnten 80km/h entlang und empfinden die Straße eigentlich nicht als schwierig oder gefährlich. So interpretieren wir die Lage so, dass viele Autofahrer in Guinea einfach keine guten Straßen gewohnt sind. Auf “normalen” Straßen kann man gar nicht schnell fahren. Schlaglöcher, Bodenwellen und enge Kurven zwingen zu einer gemäßigten Geschwindigkeit. Doch auf dieser Straße kann man mal so richtig schnell fahren. Doch offensichtlich überfordertet die hohe Geschwindigkeit den Zustand der Technik und Bremsen von vielen Fahrzeugen oder schlicht die Erfahrung und Vorsicht vieler Fahrer.
Grenzübergang von Guinea nach Sierra Leone
Am Grenzübergang von Guinea nach Sierra Leone haben wir dieses alte Hinweisschild gefunden.
Zuckerrohr Museum in Eswatini
Eswatini, früher unter dem Namen Swasiland bekannt, ist eines der kleinsten Länder Afrikas und beseitzt gemeinsame Grenzen zu Südafrika und Mosambik. Politisch ist Eswatini seit 1968 unabhängig und eine absolute Monarchie. Wirtschaftlich steht Eswatini im vergleich zu vielen anderen Staaten in Afrika sehr gut da. Dies verdankt das Land dem intensiven Anbau von Zuckerrohr. In den Ebenen des Landes schaut man über Zuckerrohr-Felder, so weit das Auge reicht.
Bevor wir nach Eswatini kamen, wussten wir nicht viel über dieses kleine Land. Doch es wird uns sehr schnell klar, dass das Land fast vollständig auf die Produktion von Zucker ausgerichtet ist. Der größte Teil der Anbauflächen gehören zu Großbetrieben, die der Krone gehören. Doch auch viele Gemeinden und Privatpersonen kultivieren Anbauflächen.
Eswatini erntet nicht nur den Zuckerrohr, sondern verfügt auch über die Fabriken um den Zuckerrohr zu verarbeiten. Die Hauptprodukte sind:
- Melasse
- brauner Rohrzucker
- raffinierter weißer Zucker
Eswtini profitiert damit nicht nur vom Anbau der Rohstoffe sondern besitzt auch die Produktionskapazitäten um die international begehrten Endprodukte herzustellen. Der größte Anteil des BIP von Ewatini basiert auf dem Export von Zucker. Exportiert wird in andere Länder Afrikas aber auch in die Europäische Union. Eswatini hat Handelsverträge abgeschlossen, nach denen das Land Zucker in unbegrenzten Mengen in die EU liefern darf.
So gut das alles klingt, trotzdem muss man erwähnen, dass die Bevölkerung für die Zuckerindustrie ausgebeutet wird. Hungerlöhne, Zwangsarbeit, 60h+ Arbeit pro Woche und Kinderarbeit. Doch das ist ein anderes Thema.
Ein weiterer großer Industriezweig ist das Werk von Coca Cola. Der Konzern ist in den 1980er Jahren wegen Südafrikas Apartheid-Politik von dort ins Nachbarland Eswatini umgezogen. Dort wird nun der Sirup für die Softdrinks für fast ganz Afrika hergestellt. Die Nähe zu der Zuckerindustrie von Eswatini ist dabei sicher nicht verkehrt.
Zusammen gefasst: Eswatini verfügt über eine ausgeprägte und lukrative Industrie die auf Zuckerrohr aufgebaut ist. Auf der anderen Seite ist die Menschenrechtslage in Eswatini problematisch.

Mitten in in Eswatini, auf einer Zuckerrohrplantage gibt es ein Museum über den Anbau und über die Verarbeitung von Zuckerrohr. Gebaut mit der Unterstützung der Europäischen Union.
Uns fällt dazu nur diese eine Frage ein: Warum?
Great East Road in Sambia
Die Hauptverbindungsstraße zwischen der Hauptstadt von Sambia, Lusaka und der Grenze zu Malawi im Nord-Osten wird die “Great East Road” genannt. Über diese Straße wird sowohl der Osten von Sambia als auch Malawi versorgt. Die durch den vielen Verkehr gezeichnete Straße wird aber nach und nach erneuert und ausgebaut. Finanziert von der Europäischen Union.

Als wir auf der Great East Road unterwegs sind, bemerken wir schnell zwei Dinge:
- Die Streckanabschnitte, die (noch) nicht erneuert wurden hätten es nötig.
- Die erneuerten Abschnitte verbessern die Sicherheit des Straßenverkehrs deutlich.
Ob durch die Erneuerung auch der Verkehr zugenommen hat, können wir nicht beurteilen. Insgesamt ist die Erneuerung der Straße eine gute Sache für Sambia.
Wir haben jedoch das Gefühl, dass dieses Projekt primär ein politisches Projekt war um den Stand der EU in Sambia zu verbessern. Dafür haben wir keine Belege. Jedoch ist es so, dass wir den Eindruck gewonnen haben, dass Sambia durchaus selbst in der Lage ist, wichtige Infrastrukturprojekte durchzuführen und zu finanzieren. So ist die erneuerte Straße vermutlich früher fertig geworden und ist vielleicht besser ausgefallen als wenn Sambia die Straße in eigener Regie erneuert hätte.
Bwanje Staudamm in Malawi
Das ostafrikanische Land Malawi ist geprägt vom Malawisee, der sich mit einer Länge von fast 600km von Norden nach Süden durch das Land zieht. Etwa 15km Westlich des Malawisee wurde von der von der EU finanzierte Bwanje Staudamm gebaut. Das Projekt dient zur Bewässerung der Agrarflächen.

Malawi ist ein Land, das internationale Hilfsprojekte gut gebrauchen kann. Wir verstehen allerdings nicht, weshalb zur Bewässerung dieser Region extra ein Damm gebaut werden musste. Mit all den Umwelteinflüssen die durch das Aufstauen eines neuen Sees einher gehen. Der neuntgrößte See der Erde, mit sehr klarem Wasser liegt nur 15km entfernt. Zur Bewässerung hätte man das Wasser sicher auch aus dem Malawisee pumpen können.
Krankenhaus in Malawi
Ein weiteres Projekt in Malawi, ist der Ausbau des Krankenhaus in Nkhotakota.

Viele Menschen aus der Region, profitieren von der verbesserten medizinischen Versorgung und der Bauauftrag wurde von einer Baufirma aus Malawi durchgeführt.
Ein hilfreiches, überschaubares Projekt, finanziert von Island. Leider kennen wir den Hintergrund nicht, weshalb Island dieses Projekt finanziert hat.
Wir möchten anhand von diesem Projekt jedoch darauf aufmerksam machen, dass es nur mit dem Bau eines Krankenhauses nicht getan ist. Das neue Krankenhaus braucht Personal (Ärzte, Krankenschwestern und Verwaltung) die müssen ausgebildet werden und wollen bezahlt werden. Medizinische Geräte müssen nicht nur angeschafft werden, sondern benötigen medizinisches Material, Wartung und Reparatur. Selbst das Gebäude an sich bedarf in dem feucht, warmen Klima wesentlich mehr Aufwand um den Verfall zu verhindern. Fehlt es an dieser kontinuierlichen Unterstützung verwandelt sich das neue Krankenhaus schnell in eine schimmlige Bruchbude mit kaputten Geräten und fehlenden Ärzten.
Auf unserer Reise haben wir leider deutlich mehr gescheiterte medizinische Einrichtugen gesehen, als vertrauens erweckende Kliniken.
Unsere Meinung
Unterm Strich stellen wir fest, dass in afrikanische Länder enorm viel Geld und Unterstützung fließt. Leider haben wir nicht allzu viele Projekte gesehen, die uns das Gefühl gegeben haben: “Toll, dass es dieses Projekt gibt.” Gut gemeint heißt eben nicht zwangsläufig auch gut gemacht.
- Zu viele Projekte gehen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei.
- Die Priorisierung, wo, welche Projekte durchgeführt werden, verstehen wir nicht.
- Die Angemessenheit der Projekte erscheint uns oft fragwürdig.
- Wir haben den Eindruck, dass viele Projekte weniger zum Ziel haben, den Menschen zu helfen, sondern dass auf die Politik oder die Kultur des Landes einfluss genommen werden soll.
Jedes neue Projekt und jeder neue Eindruck auf unserem Weg durch Afrika hat uns immer wieder erneut darüber diskutieren lassen warum die Dinge in Afrika so sind wie sie sind und wie man den Menschen hier wirklich helfen könnte. Dabei sind wir mehr und mehr zu dem Ergebnis gekommen, dass die Menschen in Afrika keine Ratschläge oder Vorgaben von außerhalb benötigen. Sie können und müssen ihre eigenen Lösungen finden. Für jemanden, der noch nie in Afrika war, ist es wahrscheinlich extrem schwer zu verstehen, wie groß die kulturellen Unterschiede von afrikanischen Ländern zu Europa oder den USA sind. Aufgrund dieser Unterschiede sind “offensichtliche” Lösungen, die irgendwann einmal gut in anderen Ländern funktioniert haben, zu häufig ungeeignet um die Probleme in Afrika zu lösen. Mehr noch, viele Umstände, die aus westlicher Sicht ein zu lösendes Problem darstellen, sind aus der Sicht der Mensch in Afrika oft überhaupt kein Problem und niemand hat das Gefühl hier müsse etwas verbessert werden. Als Resultat werden die “Lösungen” von außerhalb weder als Verbesserug gesehen noch wertgeschätzt. Daher sind solche Projekte meist auch nicht sehr Nachhaltig.
Wir sind der Meinung, die größte Unterstützung die man vielen Ländern in Afrika gewähren könnte, besteht darin sie aus ihrer wirtschaftlichen Isolation heraus zu holen und gleichzeitig davor zu schützen, von großen ausländischen Konzernen über den Tisch gezogen zu werden. Es kann doch nicht funktionieren, die Länder Afrikas um ihre Ressourcen zu berauben und dann zu versuchen sie durch Entwicklungshilfe zu fördern.
